Effektiv interagieren

Wie steht es eigentlich um die Qualität Ihrer Einflussnahme? Eine etwas provokante Frage, gebe ich zu. Aber haben Sie manchmal das Gefühl, dass Ihre Bestrebungen Einfluss zu nehmen nicht wahrgenommen werden? Haben Sie möglicherweise den Eindruck, dass das, was Sie sagen, bei Ihren Mitarbeitern nicht immer ankommt? Auch wenn Sie verbale Bestätigung erfahren, passiert nichts? Vielleicht haben Sie hier einen ganz wesentlichen Aspekt von Einflussnahme in der Interaktion nicht berücksichtigt.

Stellen Sie sich die Interaktion zwischen Menschen wie einen Eisberg vor. Über dem Wasser befindet sich die die Spitze, die für uns gut sichtbar ist. Diese können wir uns als Sachebene vorstellen. Es sind Zahlen, Daten und Fakten oder sichtbares Verhalten. Die Spitze des Eisbergs ist all das, was wir auf Anhieb wahrnehmen können.

Der andere Teil befindet sich unter Wasser. In Bezug auf die Interaktion ist das der Teil, der häufig unter unserer Bewusstseinsschwelle liegt. Um mehr zu sehen, müssen wir unseren Kopf eintauchen und somit genau hinschauen – auf die Beziehungsebene nämlich. Und genau wie bei dem Eisberg, handelt es sich hier um den größeren, gewichtigeren und damit auch wichtigeren Teil.

Was passiert auf der Beziehungsebene?

Die Beziehungsebene spiegelt das wider, was häufig unbewusst in der Interaktion zwischen Menschen abläuft. Sie sagt aus, was Sie von Ihrem Gegenüber halten und welche Werte entstehen. Hier entwickeln sich auch Emotionen, die das Verhalten über der Oberfläche beeinflussen und steuern. Unausgesprochene Widerstände, Ärger, Befürchtungen und Ängste spielen oft auf der Beziehungsebene und liegen wie Stolpersteine auf dem Weg zur Sachebene, wodurch es umso schwieriger wird voranzukommen.

Stellen Sie sich vor, Sie führen ein Meeting mit dem Fokus auf der Sachebene. Vielleicht sagen Sie sogar noch: „Lassen Sie uns bei der Sache bleiben.“ So versuchen Sie Emotionen bewusst auszuschließen. Ob das gelingt? Mit Sicherheit nicht! Während des Meetings kommunizieren die Mitarbeiter miteinander und der ein oder andere fühlt sich missverstanden oder sogar angegriffen. Dennoch sagt niemand etwas. Während sie erzählen, nicken Ihnen alle zustimmend zu, während sich unterbewusst bereits negative Emotionen zusammenstauen. Spätestens bei der Umsetzung Ihrer Planung bemerken Sie dann das Konfliktpotential und die Ungereimtheiten, die sich während des Meetings jedoch nicht offenbart haben. Deshalb schauen Sie einmal genauer hin.

Anzeichen für Irritationen auf der Beziehungsebene

Achten Sie auf nonverbale Anzeichen. Die Körpersprache wirkt wie ein Spiegel der Gefühle. Verdreht ein Mitarbeiter die Augen, so ist er sicherlich nicht beeindruckt von der Aufgabenverteilung, welche ihm zugewiesen wurde. Achten Sie vor allem auf Veränderungen. Wenn jemand von Anfang an seine Arme verschränkt, kann das auch lediglich aus Bequemlichkeit sein. Anders ist es, wenn er sich während des Meetings langsam abwendet oder Augenkontakt vermeidet. Diese Signale sollten unbedingt wahrgenommen werden.

Auf verbaler Ebene zeigen sich Irritationen etwa bei einem raueren Umgangston und einer ansteigenden Lautstärke. Auch übermäßiger Sarkasmus sollte als Warnhinweis dienen, denn hier werden aufgestaute Emotionen humorvoll getarnt. Achten Sie auch auf das »aber«. Immer wenn jemand mit »aber« antwortet, deutet dies auf Widerstand und somit ein steigendes Konfliktpotenzial hin.

Richtig überzeugen

Wenn Sie nun in der Lage sind, sowohl die Sach- als auch die Beziehungsebene wahrzunehmen, können Sie Irritationen vorbeugen. Die goldene Regel lautet: Fragen stellen. „Herr Müller, wie stehen Sie zu diesem Thema? Wie fühlt sich diese Idee für Sie an?“ Mit offenen Fragen geben Sie die Möglichkeit, etwaige Irritationen oder Störungen anzusprechen.

Die wesentliche Einflussnahme und Mobilisierung anderer findet also auf der Beziehungsebene statt. Überlegen Sie einmal: Was bringt einen Eisberg in Bewegung? Der Wind, der gegen dessen Spitze bläst, oder die Strömungen unterhalb der Wasseroberfläche? Genau. Unser Ziel sollte deshalb darin liegen, das Wasser abzulassen und den Eisberg mehr und mehr sichtbar zu machen. Denn nur was bewusst ist, kann auch kontrolliert werden – was unbewusst bleibt, kontrolliert uns.