Wie finde ich den «richtigen» Führungsstil?

Haben Sie sich als Führungskraft schon einmal überlegt oder sich gefragt, ob Sie eigentlich den richtigen Führungsstil anwenden? Oder ob es vielleicht noch eine effektivere Art von Führung geben könnte, mit der Sie wirkungsvoller unterwegs sind?

Was ich häufig erlebe in Unternehmen sind Führungskräfte, die irgendwann einen Führungsstil für sich definiert haben und diesen dann konsequent leben. Es gibt autoritäre Führungskräfte, kooperative Führungskräfte, die Partizipativen oder sogar die Laissez-faire-Führungskräfte, die letztendlich eigentlich gar nicht führen.

Wertschätzung in der Führung

Oft variieren Führungskräfte ihren Führungsstil auf einer Skala zwischen hoher Wertschätzung und geringer Wertschätzung oder wenig Druck und hohem Druck. Vielleicht haben auch Sie schon Führungskräfte erlebt, die mit der Faust auf den Tisch geschlagen haben, die angefangen haben Menschen anzubrüllen oder vielleicht sogar wirklich respektlos zu behandeln. Das ist inakzeptabel. Wir sind in der Arbeitswelt in einem Vertragsverhältnis. Wir sind in einer Arbeitsbeziehung. Aus meiner Sicht darf man den Anspruch an eine gewisse Professionalität stellen – auch und besonders im Zusammenhang mit Führung.

Doch welche Möglichkeiten habe ich als Führungskraft denn, wenn meine Mitarbeitenden die Leistung nicht bringen oder die Erwartungen an das Verhalten nicht erfüllen?

Dirigieren vs. Delegieren

Der Grundsatz ist ein Mindestmaß an respektvollem und wertschätzendem Umgang. Das heißt, das Unterschreiten einer Linie von Mindestrespekt oder Mindestwertschätzung im Umgang ist keine Option. Variieren Sie künftig Ihr Führungsverhalten nicht mehr vertikal, also zwischen hoher und geringer Wertschätzung, sondern horizontal, zwischen mehr oder weniger direktivem Führungsverhalten.

Der Unterschied besteht hierin:

  • Auf der einen Seite steht ein sehr direktives Führungsverhalten. Hier gebe ich genaue Anweisungen, ein Ziel vor. Zusätzlich gebe ich einem Mitarbeiter aber auch vor, wie er oder sie dieses Ziel erreichen kann oder erreichen soll. Also nicht nur das «Was», sondern auch das «Wie».
  • Auf der anderen Seite delegiere ich ein ganzes Arbeitspaket, indem ich das Ziel bzw. das Ergebnis vorgebe, welches erreicht werden soll. Dann gehe ich als Führungskraft aus dem Weg und lasse die Person arbeiten, weil diese unter Umständen sogar kompetenter ist und besser weiß, wie etwas zu tun ist.

Zwischen diesen beiden Polen – also Dirigieren und Delegieren – finden wir nochmal zwei Zwischenstufen, nämlich «Trainieren» und «Unterstützen». Auch diese sind entsprechend situativ anzuwenden.

Woran jedoch mache ich fest, ob ich eher dirigieren und trainieren oder delegieren und unterstützen soll?

2 Faktoren, mit deren Hilfe Sie entscheiden können, welche Art von Führung nötig ist

  1. Die Anforderungen der Situation
    Jede Art von Situation, in der schnelles, direktes Handeln gefragt ist, bedarf einer sehr direktiven Führung. Ein Beispiel dafür sind Krisensituationen.
    Stellen Sie sich vor, wie die Feuerwehr zu einem brennenden Haus fährt. Niemand macht vor dem Löschen einen «Stuhlkreis» und diskutiert, wer jetzt vielleicht den Schlauch aus dem Fahrzeug holt – um die Situation ein wenig übertrieben darzustellen. Vielmehr gibt es klare Anweisungen, klare Instruktionen. Die Dinge müssen schnell und direkt angegangen und erledigt werden. Selbstverständlich gibt es im Anschluss ein Debriefing, ein Nachbereiten, indem unter anderem auch sichergestellt wird, dass die Beziehungen wieder – oder noch – intakt sind.
  2. Der Entwicklungsstand Ihrer Mitarbeiter
    Der Entwicklungsstand Ihrer Mitarbeiter lässt sich in vier Stufen aufteilen, von tief bis hoch, und wird von zwei Komponenten definiert: die Kompetenz der Person und das Engagement, das die Person zeigt oder auf Englisch, «skill and will». Diese beiden Faktoren bestimmen den Entwicklungsgrad oder auch den Reifegrad der Mitarbeiter.

Faktor 1

Mitarbeiter an dem «tiefen» Ende der Entwicklungsskala führen Sie direktiv. Typischerweise sind es neue Mitarbeiter. Sie besitzen meist hohes Engagement, aber ihre Kompetenz ist noch gering. Da braucht es eine klare Orientierung, Sicherheit und Vorgaben, um dem Mitarbeiter beste Bedingungen für seine Arbeit zu ermöglichen. 

Faktor 2

Am «hohen» Ende der Entwicklungsskala des Reifegrads finden wir Mitarbeiter mit hohem Engagement und hoher Kompetenz. Das sind in der Regel Menschen, die künftig zu Führungskräften befördert werden könnten. Diese sind Selbststarter. Das sind Menschen, die man machen lassen muss, weil sie ihre Arbeit gut machen und weil sie ganz genau wissen, was zu tun ist und es auch tun.

„Das Schlimmste, was ich einem professionellen Orchester antun kann, ist, ihm eine klare Anweisung zu geben.“ Herbert von Karajan

Das Zitat des österreichischen Dirigenten trifft es ziemlich genau auf den Punkt! Zwischen den äußeren Entwicklungsstufen haben wir Mitarbeiter mit einiger Kompetenz und hohem Engagement oder Mitarbeiter mit hoher Kompetenz und schwankendem Engagement.

Die Wahl des Führungsstils hat einen starken Einfluss auf die Leistung und auf die Performance der Mitarbeiter.

Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Mitarbeiter mit einem hohen Reifegrad, also hohes Engagement und hohe Kompetenz, und Sie führen diese Person mit einem sehr direktiven Führungsstil. Im schlimmsten Fall werden Sie von dieser Person als sogenannter Micro-Manager wahrgenommen und demotivieren ihn durch die Wahl des falschen Führungsstils, weil diese Person eigentlich maximalen Handlungsspielraum braucht.

Andersherum verhält es sich genauso: Stellen Sie sich vor, wozu es führen kann, wenn Sie eine Person mit einem tiefen Reifegrad, also noch nicht hoher Kompetenz und hohen Engagement, delegieren. Wenn Sie dieser Person einen maximalen Handlungsspielraum geben, kann es sein, dass Sie diese Person überfordern, dass dieser Mitarbeiter deshalb zu wenig Orientierung hat und die Motivation und das Engagement deshalb sinken können.

Führungsstil situativ anpassen

Es geht nicht darum, einen Führungsstil zu wählen und daran festzuhalten. Und es geht nicht darum, einen Führungsstil auf alle Mitarbeitenden im Unternehmen oder in Ihrem Team anzuwenden, denn Sie werden damit nur bei einzelnen wirklich effektiv sein.

Nehmen Sie sich die Zeit und überlegen Sie: „Wer in meinem Team hat welchen Entwicklungsgrad bezüglich Kompetenz, bezüglich Engagement?“ Wählen Sie dann den richtigen Führungsstil, um letztendlich jede Person in Ihrem Team so zu führen, dass er oder sie bestmöglich Leistung erbringen, bestmöglich sein eigenes Potenzial zum Ausdruck bringen und einen Beitrag leisten kann.

Betroffene zu Beteiligten machen

Sie können sogar noch einen Schritt weiter gehen und mit Ihren Mitarbeitern das Thema transparent machen, diskutieren und vielleicht sogar die Frage stellen: „Welche Art von Führung würdest du dir von mir wünschen, um bestmöglich deine Leistung erbringen zu können?“

Damit machen Sie Betroffene zu Beteiligten und zeigen einen hohen Grad an Wertschätzung, indem Sie die Mitarbeitenden in die Gestaltung der Führungsarbeit mit einbeziehen.

Es kann durchaus sein, dass Sie sich nicht einig sind, dass Ihr Mitarbeiter vielleicht mehr Handlungsspielraum fordert. Sie können sich dann zum Beispiel auf eine fest terminierte Übergangsphase von beispielsweise drei Monaten einigen, in der Sie Ihren Mitarbeiter gewähren lassen. Nach der Phase können Sie dann prüfen, ob der größere Handlungsspielraum gerechtfertigt ist oder nicht. So stellen Sie sicher, dass Sie in Ihrer Führungsarbeit wirkungsvoll und effektiv unterwegs sind.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie mit diesem Impuls Ihren persönlichen Wirkungsgrad steigern und richtig durchstarten.