Was macht Entscheidungen manchmal so schwierig?

Jeder, der Führungsverantwortung hat, weiss: ein gutes Selbstmanagement ist mittlerweile nicht mehr aus den Führungsetagen wegzudenken. Doch auch auf anderen Hierarchieebenen müssen Mitarbeiter mit ihren eigenen Ressourcen, Stärken und Grenzen kompetent umgehen, um den immer höher werdenden Anforderungen gerecht zu werden. Zu einem guten Selbstmanagement gehört auch, Entscheidungen optimal zu treffen – doch gerade damit tun sich viele Menschen sehr schwer. Es gibt biologische Aspekte, die Einfluss auf den idealen Zeitpunkt haben, um gut überlegte Entscheidungen zu treffen:

Unser Gehirn besteht – stark vereinfacht gesagt – aus drei Hauptteilen: dem Stammhirn, oft auch »Reptiliengehirn« genannt (verantwortlich für instinktives und reflexartiges Handeln), dem limbischen System (verantwortlich für unsere Emotionen) und dem Neocortex, oder auch Grosshirn. Dieser ist der entwicklungsgeschichtlich jüngste Teil unseres Gehirns. Man könnte sagen: Es ist der Teil, der uns als Menschen, als Homo Sapiens, ausmacht. Er ermöglicht uns, zu verstehen, zu analysieren und zu beurteilen. Er ist verantwortlich dafür, dass wir uns bewusst erinnern und ist in der Lage, die beiden darunterliegenden Entwicklungsstadien des Gehirns – also die Zentren für Emotionen und Impulse – zu regulieren und moderieren.

Der Sitz unserer Aufmerksamkeit

 

Eine besondere Relevanz kommt dem Präfrontalen Cortex zu, auch Frontallappen genannt. Er ist Teil des Grosshirns und umfasst – stark vereinfacht – folgende Funktionen: Aufmerksamkeit, Handlungsplanung, Arbeitsgedächtnis, Impulskontrolle, Abschätzung der Folgen des Verhaltens, ethisches Verhalten und soziale Normen. Der Präfrontale Cortex braucht eine Menge Treibstoff in Form von Glucose und Sauerstoff. Tatsächlich hat die Wissenschaft sogar belegt, dass bewusstes Denken mehr Glucose verbraucht als jede andere Körperfunktion. Aus diesem Grund haben wir nur beschränkte Ressourcen für Aktivitäten wie Entscheidungsfindung und Impulskontrolle. Man kann sogar sagen, dass wir unserem rationalen Denken nicht allzu sehr vertrauen sollten, wenn unser Blutzucker besonders tief ist.

Glucose zur besseren Entscheidungsfindung

Eine Studie von Shai Danziger im Jahre 2011 dokumentierte eine interessante Sachlage. Die Wissenschaftler untersuchten 1.100 gerichtliche Urteile, die von acht Richtern erlassen wurden, welche entscheiden mussten, ob jemand auf Bewährung entlassen wird. Diese Richter hatten zweimal täglich eine Essenspause, was den Tag in drei Entscheidungssitzungen aufteilte.

Die Studie konnte belegen, dass sich der Anteil an wohlwollenden Urteilen im Verlauf einer solchen Sitzung von ungefähr 65 Prozent auf nahezu null reduzierte, um dann nach der Essenspause sofort wieder auf 65 Prozent hochzuschnellen. Das demonstriert den Effekt von Glucose auf unser rationales Denkvermögen und unsere Entscheidungsfindung – und dass selbst erfahrene Richter nicht dagegen gefeit sind. Sollten Sie also jemals vor Gericht stehen, schauen Sie, dass Sie einen Termin nach der Mittagspause bekommen. 

Wichtige Entscheidungen nach dem Essen

Übertragen auf eine typische Situation aus der Geschäftswelt: Stellen Sie sich vor, Sie haben mit Ihrem Gremium den ganzen Vormittag gearbeitet und sind nun kurz davor, eine wichtige Entscheidung zu treffen. Während des Meetings wurden regelmässige Pausen vernachlässigt und die Raumluft ist auch schon sehr verbraucht. Alle haben Hunger und sind unterzuckert. Basierend auf den Erkenntnissen der oben erwähnten Studie kann es sinnvoll sein, das Meeting zu unterbrechen und eine Essenspause zu machen, um erst danach gemeinsam zu entscheiden.

Optimale Denkleistung

Zusammengefasst bedeutet das, dass unsere optimale Denkleistung nur für eine beschränkte Zeit verfügbar ist. Genau wie ein Muskel performt der Präfrontale Cortex viel besser nach einer Ruhephase. Wenn Sie also nach einer gut durchschlafenen Nacht frisch und erholt in den Tag gehen, dann können Sie eine schwierige Entscheidung womöglich innerhalb von Sekunden treffen. Sind Sie aber erschöpft und müde, kann es sich sogar fast unmöglich anfühlen, eine Entscheidung zu treffen.