"Musik ist der Raum zwischen den Noten"
(Claude Debussy)
Dasselbe gilt für die verbale Kommunikation. Auch hier haben Pausen zwischen den Worten und Sätzen eine Wirkung, welche weit über die strukturierende Funktion hinausgeht.
Für viele Menschen ist Stille in der Kommunikation jedoch nicht viel mehr als die Abwesenheit derselben. Durch diese Wahrnehmung einer Lücke, in der etwas „fehlt“, sind das Aushalten von Stille und der Umgang damit für viele ebenso schwierig wie unangenehm. Es sei denn, Sie sitzen mit Ihrem besten Freund auf einer Parkbank am See. Dann ist es durchaus vorstellbar, dass Sie beide minutenlang einfach nur schweigen und es sich nicht seltsam anfühlt. Der Grund dafür liegt natürlich vor allem in dem bereits vorhandenen Vertrauen und der Qualität der Beziehung.
Ansonsten gilt besonders im Geschäftsleben: Viele Menschen erleben Stille in Gesprächen als unangenehm und versuchen deshalb, sie zu vermeiden. Das führt dazu, dass viele z.B. beim Präsentieren wenig sinnvolle Füllwörter und Füllgeräusche wie „äääähm ...“, „oder“ und „genau“ verwenden. Diese dienen dem Überbrücken der Stille zwischen zwei Sätzen. Das führt weiter dazu, dass Menschen in Gesprächen auf Aussagen des Gegenübers wie in einem Ping-Pong-Spiel sofort antworten. Im schlimmsten Fall fällt man einander ins Wort, sodass nicht nur keine Stille, sondern stattdessen sogar überlappende Redeanteile entstehen. Dass eine Antwort in aller Regel bereits vorbereitet werden muss, während die andere Person noch spricht, und dass dies wiederum für die Qualität des Zuhörens wenig förderlich ist, kommt erschwerend hinzu.
Der holländische Autor und Spezialist für interkulturelles Management Fons Trompenaars spricht von sogenannten Gesprächsmustern, die kulturell unterschiedlich sind. So gilt es in den meisten zentraleuropäischen und angelsächsischen Regionen als höflich, den Gesprächspartner ausreden zu lassen und erst dann zu antworten, wenn dieser fertig gesprochen hat. Das ist nicht überall so. In lateinisch geprägten Kulturen wie Spanien, Italien oder Brasilien begegnet man durchaus überlappendem Redeanteil, was nicht nur gesellschaftlich akzeptiert ist, sondern als normal und als Zeichen von Interesse und Engagement gilt. Jeder, der schon einmal eine Italienische Familie am Mittagstisch erlebt hat, weiss, was gemeint ist. Im Geschäftsumfeld können Redepausen schlimmstenfalls als mangelnde Kommunikations- oder Durchsetzungsfähigkeit gedeutet werden.
Auf der anderen Seite des Spektrums gibt es durchaus Gesellschaften, in denen schon ein mitteleuropäisches Gesprächsmuster als wenig respektvoll gilt. Dazu gehören viele asiatische Gesellschaften wie z.B. die japanische, wo eine kleine Pause durchaus angebracht und ein Zeichen von Respekt ist, bevor man selbst antwortet. Ein sofortiges Antworten ohne Pause oder sogar gleichzeitiges Sprechen und Unterbrechen wird hier und in vielen anderen asiatischen Kulturen als eher unhöflich betrachtet.
So kann es also durchaus anspruchsvoll werden, wenn z.B. in einem Projektmeeting lateinische, angelsächsische und asiatische Kulturen aufeinandertreffen – und damit komplett unterschiedliche Gesprächsmuster mit entsprechenden Erwartungshaltungen an ein respektvolles Gespräch. Hier kann Ihnen alleine das Wissen um die diesbezüglich unterschiedlichen kulturellen Hintergründe schon helfen, damit Sie entspannter mit der Situation umgehen, es nicht persönlich zu nehmen, wenn Ihnen jemand ins Wort fällt, oder anderen bewusst mehr Raum zu geben, um sich ausdrücken zu können.
Es gibt jedoch diverse Situationen, in denen der bewusste Einsatz von Redepausen, also Stille, grundsätzlich zu einer höheren Qualität und mehr Effektivität in der Kommunikation führt. Einerseits, wenn vor Publikum präsentiert wird, andererseits in Führungs- oder Kundengesprächen.
1. The Power of Silence in Präsentationen
Sicher haben Sie schon einmal in einem geschriebenen Text einen Satz unterstrichen oder mit einem Leuchtmarker hervorgehoben, weil er besonders wichtig war. Das Pendant dazu im verbalen Ausdruck ist das Nutzen von Stille. Stellen Sie sich vor, die präsentierende Person spricht ohne Punkt und Komma und überflutet Sie mit Informationen. Am Schluss wissen Sie womöglich gar nicht mehr, was nun wirklich wesentlich war und was nur Dekoration, denn:
„Zu viel Information tötet die Information.“
Ergänzen Sie stattdessen eine wichtige Aussage mit einer kurzen Redepause von einigen Sekunden. So gewinnt die Aussage an Gewicht und erzeugt damit mehr Wirkung. Hierzu kann es hilfreich sein, wenn Sie sich von dem Gedanken verabschieden, dass Stille lediglich „nicht sprechen“ bedeutet. Versuchen Sie stattdessen, Stille als ein Element zu sehen, also quasi ein „Ding“, das Sie aktiv in Ihre Präsentation integrieren können. Ein angenehmer Nebeneffekt ist häufig, dass Sie durch diese Neubewertung von Redepausen ein anderes Verhältnis dazu bekommen und sie nicht mehr als unangenehm erleben. In der Folge ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass Sie keine Füllgeräusche oder -worte mehr verwenden, um die Stille zu überbrücken.
2. The Power of Silence in Gesprächen
Im Gegensatz zur Präsentation haben Sie hier natürlich weniger Einfluss darauf, wie lang eine Redepause ist, die Sie nach einer wichtigen Aussage machen. Hier können Sie die Gesprächsqualität hingegen erhöhen, indem Sie eine Pause einfügen, nachdem Ihr Gesprächspartner eine Aussage gemacht hat, also bevor Sie antworten. Die sich daraus ergebenden Vorteile sind vielfältig:
- Sie signalisieren damit, dass Sie wirklich bis zum Schluss zugehört haben.
- Sie signalisieren damit, dass Sie die Aussage wirklich ernst nehmen und nachdenken, bevor Sie antworten.
- Sie geben Ihrem Gesprächspartner dadurch Raum, noch etwas nachzulegen. Wie die letzten Tropfen einer guten Flasche Rotwein – die die Franzosen nicht vergebens „Les Amours“ nennen, also die Liebe des Weins. Genauso kann das, was dann noch gesagt wird, sehr wertvoll sein und dem Gespräch mehr Tiefe geben – weil es ohne die Stille und damit die Möglichkeit dazu nicht gesagt worden wäre. Das gilt besonders für Führungs- und Kundengespräche.
Statt vollkommener Stille können Sie alternativ auch einfach den letzten Schlüsselbegriff Ihres Gesprächspartners wiederholen oder nur kurz akustisch nicken, z.B. „Hm ...“. Damit werden Gespräche natürlich grundsätzlich etwas „entschleunigt“, was in der Regel zu einer gefühlt höheren Gesprächsqualität führt.
Natürlich gilt es, die bereits genannten kulturellen, aber auch die persönlichkeitsbedingten Kommunikationsbedürfnisse Ihres Gegenübers wahrzunehmen und entsprechend zu bedienen, um wirklich effektiv zu sein. Wenn Sie es also mit einem eher dominanten Gesprächspartner zu tun haben, der schnell auf den Punkt kommen will, können Sie mit zu vielen und zu langen Redepausen auch einen gegenteiligen Effekt erreichen.
Wie auch immer: Ob Sie Stille in Präsentationen oder in Gesprächen bewusster einsetzen wollen – es kann sich anfänglich etwas seltsam und ein wenig „gegen die Natur“ anfühlen. Versuchen Sie deshalb, sich mit Stille anzufreunden und beginnen Sie damit, zu experimentieren. Vor allem aber: Beobachten Sie, wie sich damit die Qualität Ihrer Kommunikation verändert – und allenfalls Ihr eigener Gebrauch von Füllwörtern. Viel Erfolg damit!