Mit persönlichen ‚Airbags‘ bewusst Raum im Alltag schaffen

Wer kennt das nicht: der Arbeitstag ist randvoll mit Aufgaben, Telefonaten, Terminen, Meetings. Eine Sache kommt nach der anderen, kaum ist ein Problem gelöst, folgt schon das nächste. Alle wollen etwas von uns.

Damit aber nicht genug: nach Feierabend geht es weiter mit After Work Networking, Fitness Center, Kinder abholen, usw. Die Tage sind vollgepackt, bis es kaum mehr geht. Solche Tage reihen sich dann dicht an dicht zu Wochen, die wiederum getrennt durch vollgepackte Wochenenden die Monate im Zeitraffer vergehen lassen. So sind wir denn oft Getriebene, ständig nur am reagieren und größtenteils fremdbestimmt. Ein Gefühl der Enge, innere Unruhe, Anspannung, Stress – im schlimmsten Fall Burnout – sind die Folgen.

Was tun?

Nun, schon die Frage an sich ist eigentlich falsch. Denn es geht nicht darum, noch etwas zusätzlich zu tun und damit die Aufgabendichte noch mehr zu erhöhen. Stattdessen gilt es, die Aufmerksamkeit auf etwas zu lenken, das heutzutage kaum mehr beachtet wird und dieses dann allmählich auszudehnen: Raum.

Raum schaffen

Vor einiger Zeit durfte ich der eindrücklichen Demonstration eines Lawinenairbags beiwohnen. Dieses lebensrettende Instrument sieht aus wie ein Rucksack und wird auch so getragen. Gerät man nun in die Situation, von einer Lawine erfasst zu werden, löst man mit einer Reißleine den Airbag aus, der sofort mit einem lauten Knall um Kopf und Schultern ein Kissen aufbläht. Dieser so geschaffene Raum rettet Leben in einer Situation, die einen sonst zu ersticken droht.

Mir war sofort die Symbolik klar: im übertragenen Sinn sind auch unsere dicht gedrängten Tage vergleichbar mit Lawinen, die über uns hinweg rollen und uns unter sich begraben. Wie bei einer echten Lawine, liegt der Schlüssel denn auch hier darin, Raum zu schaffen. Raum zwischen den Dingen, den Ereignissen. Raum um zu Atmen, um den Dingen zu begegnen, statt nur auf sie zu reagieren. In erster Linie bedeutet es, Raum zu schaffen zwischen Reiz und Reaktion, wie es bereits der österreichische Neurologe und Psychiater Viktor E. Frankl erkannt hatte: „Zwischen Reiz und Reaktion gibt es einen Raum. In diesem Raum haben wir die Freiheit und die Macht, unsere Reaktion zu wählen.“

Vereinfacht gesagt sind nicht die Umstände und Situationen für unsere Verfassung verantwortlich, sondern unsere inneren und äußeren Reaktionen darauf. Denn je schneller wir z. B. glauben, auf einen Reiz reagieren zu müssen, desto höher der gefühlte Stress. Mit dem Schaffen von Raum erschliessen wir uns eine tiefere Ebene der Intuition und schaffen die Möglichkeit, besonnen auf die Anforderungen einer Situation zu antworten, statt nur mit unseren konditionierten Verhaltensmustern darauf zu reagieren – im Englischen schön unterschieden mit den beiden Ausdrücken „to react“ und „to respond“.

Damit steigen auch durchaus die persönliche Effektivität und der messbare Erfolg: Es gibt Untersuchungen im Sport, die z. B. belegen, dass beim Penaltyschiessen im Fussball diejenigen Spieler, die unmittelbar nach dem Pfiff des Schiedsrichters schiessen, deutlich weniger oft einen Punkt erzielen, als diejenigen, welche warten und ein paar Sekunden in die Stille gehen, bevor sie schiessen. 

Wie soll das konkret gehen?

Nehmen wir ein praktisches Beispiel: Sagen Sie sich das nächste Mal wenn das Telefon klingelt: „STOP!“ und schaffen Sie Raum, indem Sie den Anruf nicht sofort entgegen nehmen. Vielleicht nutzen Sie die Gelegenheit, um einmal bewusst tief ein und wieder aus zu atmen, bevor Sie Antworten. Vielleicht schaffen Sie sogar noch mehr Raum indem Sie den Anruf bewusst auf die Mailbox gehen lassen und diese erst einmal abhören, bevor Sie dann entscheiden, wann und wie sie darauf Antworten wollen. Damit geschieht neben dem Schaffen von Raum nämlich noch etwas anderes: fremdbestimmtes Reagieren wird zu selbstbestimmtem Antworten und Sie kommen damit sofort „vor die Welle“, statt von ihr überrollt zu werden.

Auch eine einfache Pause an einem hektischen Tag, um zu reflektieren und die Batterien aufzuladen, schafft Raum. Das alleine kann dazu führen, dass Sie neue Ideen besser erinnern und verarbeiten können und sich von der überlaufenden Inbox weniger erdrückt fühlen. Sie müssen ja nicht gleich einen ganzen Nachmittag über den Ursprung des Universums meditieren. Fünf Minuten mit geschlossenen Augen im Auto sitzen, kann bereits ein sehr wirkungsvoller „Airbag“ sein - sofern ihr Auto geparkt ist. Sie könnten sonst vom lauten Knall eines echten Airbags überrascht werden.

Machen Sie es sich zur Gewohnheit, regelmäßig Ihren mentalen Airbag auszulösen und schaffen Sie dadurch bewusst Räume in Ihrem Alltag. Diese sind anfangs vielleicht noch klein, werden aber mit der Zeit zunehmend grösser. Und mit zunehmendem "Raumgefühl" sinkt der gefühlte Stress.

Was sind Ihre persönlichen „Airbags“? Nehmen Sie mit mir Kontakt auf, wenn Sie einen ersten Schritt in Richtung mehr Raumgefühl machen wollen, sei es für sich selbst, oder für Ihre Mitarbeitenden.