„Meine Leute sehen alles nur negativ und sind permanent am Jammern“ höre ich Führungskräfte häufig sagen, wenn es um die Stimmung im Team und das Arbeitsklima geht. Aber auch von Mitarbeitern höre ich das, wenn ich in die Unternehmen gehe. Kollegen verbreiten negative Stimmung, reklamieren und stellen heraus „Früher war alles besser!“ Diejenigen, die sich beschweren, wünschen sich, dass die anderen aufhören mit dem Gemecker und das Arbeitsklima weniger negativ beeinflussen. Sie verharren damit natürlich in einer Erwartungshaltung, die sich nur mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit erfüllt.
In diesem Zusammenhang möchte ich gerne zwei Wirkungsweisen aufführen: Zum einen die Vorbildwirkung des Vorgesetzten und die Vorbilderwirkung jedes einzelnen Mitarbeiters im Team. Zum anderen unsere Tendenz, die Aufmerksamkeit auf Dinge zu lenken, die wir als negativ erachten.
Vorbildwirkung des Vorgesetzten
Wenn Sie sich Veränderung bei anderen wünschen, können Sie niemanden dazu zwingen, seine Haltung oder sein Verhalten zu ändern. Wer als Vorgesetzter glaubt, seine Mitarbeiter zu irgendwas zwingen zu müssen oder zu können, kann nach einem „Command-and-Control“-Ansatz Befehle anordnen. Damit besteht jedoch das Risiko, dass sich das extrem negativ auf das Betriebsklima auswirkt, Mitarbeiter sich letztendlich instrumentalisiert fühlen und in letzter Konsequenz der Unternehmen verlassen.
Aufmerksamkeit bewusst lenken
Viel effektiver ist es, andere durch das eigene Verhalten zu einer Verhaltensänderung einzuladen. Wenn Sie also eine Gruppe von Mitarbeitern haben, die sich häufig negativ äußert, schlechte Stimmung verbreitet und am Jammern ist, dann überlegen Sie sich, mit welchem eigenen Verhalten Sie positive Impulse in dieses Team hineingeben können. Welches Verhalten können Sie vorleben? Was können Sie an Ihrem eigenen Verhalten ändern, um positive Impulse zu setzen? Wie beeinflusst das möglicherweise das Verhalten der anderen?
Das Gleiche gilt für Mitarbeiter: Stellen Sie alternativ eine lösungsorientierte, zukunftsorientierte Frage wie „Wie sollte es für dich sein?“ oder „Was ist dein Vorschlag, wie man das ändern könnte?“ Diese Art von Fragen laden den Kollegen dazu ein, sich zu überlegen, wie es sein müsste, um nicht mehr jammern zu müssen. Und gerade bei Vorgesetzten ist die Vorbildwirkung nicht zu unterschätzen. Die Mitarbeitenden und das ganze Team orientieren sich an dem Verhalten der Führungskräfte. Sie setzen mit ihrem eigenen Verhalten den Maßstab und prägen damit wesentlich die Kultur im Team. Also: Seien Sie sich jederzeit der Wirkung Ihres Verhaltens bewusst. Wenn Sie nicht sicher sind, wie es wahrgenommen wird, fragen Sie nach und bitten Sie um Rückmeldung.
Unsere Negativ-Verzerrung im Denken
Dass wir grundsätzlich tendenziell negativ denken, liegt an unserer Evolution. Als unsere Vorfahren noch in Höhlen lebten und täglich auf die Jagd gehen mussten, kalibrierten sie ihre Aufmerksamkeit auf jegliche Bedrohung. Das war überlebensnotwendig. So haben wir auch heute noch diesen sehr natürlichen Reflex, den man als Überlebensinstinkt bezeichnen kann. Wir beachten alles, was in unseren Augen negativ scheint, viel stärker als die vermeintlich positiven Dinge.
Aus Asien kommt ein schönes Sprichwort dafür: „Ein fallender Baum macht mehr Lärm als ein ganzer Wald, der wächst.“ Das bringt es sehr schön auf den Punkt. Diesem Phänomen unterliegen wir alle – Mitarbeiter genauso wie Vorgesetzte.
Die Aufmerksamkeit lenken
Die zentrale Aufgabe eines jeden Vorgesetzten ist es, Aufmerksamkeit zu lenken. Lenken Sie also die Aufmerksamkeit Ihres Teams auf Erfolge und Dinge, die das Team selber beeinflussen und kontrollieren kann. Als Ergebnis wird das Team dankbar sein für die Dinge, die gut laufen oder auf die es sogar stolz sein kann. Und damit Ihnen selbst als Vorgesetzter das gelingt, müssen Sie bei sich selber anfangen. Sie müssen zuerst Ihre eigene Aufmerksamkeit bewusst steuern.
Gerade Führungskräfte sind oft im Problemlösungsmodus und mit diesem Negativ-Filter unterwegs und sehen deshalb vor allem Fehler, Probleme und Schwierigkeiten. Wenn Sie das korrigieren und Ihre Aufmerksamkeit auch auf den wachsenden Wald ausdehnen, können Sie positive Rückmeldung geben, die Aufmerksamkeit des Teams lenken und direkten Einfluss nehmen auf den Negativ-Fokus Ihres Teams.
Also: Seien Sie sich der Negativ-Verzerrung bewusst. Anerkennen Sie sie als ganz normale, menschliche Eigenschaft. Erkennen Sie sie auch bei sich selbst, steuern Sie selber Ihre Aufmerksamkeit und lenken Sie sie auch auf positive Dinge – selbst wenn es Kleinigkeiten sind. Laden Sie dann Ihr Team durch das ein, was Sie vorleben, sodass jeder Einzelne seine Aufmerksamkeit auch vermehrt auf positive Aspekte legen kann sowie solche, die im eigenen Einflussbereich liegen.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg damit.