Ich schreibe diesen Artikel auf dem Rückflug von Los Angeles, wo ich an einem spannenden Dokumentarfilmprojekt über Coaching beteiligt bin. Darüber werde ich in einem meiner nächsten Blogartikel mehr schreiben. Das Passagierboarding in L.A. erfolgt durch die Tür der 1. Klasse und so kommt es, dass ich an <LINK www.imdb.com/name/nm0286975/ - "link-external--new-window" "Opens external link in new window">Marc Forster</link> und <LINK www.imdb.com/name/nm0910607/ - "link-external--new-window" "Opens external link in new window">Christoph Waltz</link> vorbei gehe, die offenbar beide auf dem Weg zum Zürich Film Festival sind. Was für eine schöne Überraschung, denke ich mir und setzte mich - im hinteren Bereich des Flugzeugs.
Die Kabinenbesatzung auf diesem Swiss Flug macht einen tollen Job und ich freue mich, darunter auch ein paar alte Bekannte wiederzusehen. Ich sage das, weil ich früher einmal selber Cabin Crews für die damalige Swissair führte. Das Foto zeigt mich bei der Arbeit in der First Class einer Boeing 747 auf dem Weg nach Hong Kong - vor zwanzig Jahren. Wie man sieht, bestand das gesamte Unterhaltungssystem damals aus einer Leinwand, die für Start und Landung jeweils verstaut werden musste. Das waren Zeiten ...
Während insgesamt sieben Jahren kümmerte ich mich an Bord internationaler Kurz- und Langstreckenflüge um die Sicherheit und die Zufriedenheit der Gäste aus aller Herren Länder. Zuerst als Flight Attendant, dann als Maître de Cabine (Purser) zusammen mit meinen Crews. Der Einsatzradius reichte dabei von Anchorage (Alaska) im Westen bis Tokyo im Osten. Es war eine tolle und spannende Zeit, in der ich viel über mich selbst und über die Menschen gelernt habe. Und darüber, was erfolgreiche menschliche Interaktion ausmacht. Meine Klienten profitieren heute u. a. von meinen praktischen Erfahrungen aus diesem Lebensabschnitt, was Führung, Zusammenarbeit und Kundenkontakt angeht.
Denn im Prinzip gleicht die Situation auf 10'000 Metern, in einer engen Röhre mit – je nach Flugzeugtyp – dutzenden bis hunderten von Menschen, einem kleinen Unternehmen. Dort oben findet auf engstem Raum alles statt, was in einer „normalen“ Firma auch geschieht: direkter Kundenkontakt, Zusammenarbeit im Team und zwischen Abteilungen sowie natürlich Führung auf unterschiedlichen Ebenen. Das war für mich auch immer das Besondere an dieser Arbeit: Waren einmal alle Passagiere an Bord und die Beladung sowie alle nötigen Dokumente kontrolliert, wurde die Flugzeugtür geschlossen. Ab dann war es „meine kleine Firma" und ich war zusammen mit meiner Besatzung - neben der Sicherheit - für ein Höchstmass an Servicequalität und Kundenzufriedenheit verantwortlich.
Die Bedingungen waren dabei speziell: diverse Untersuchungen zeigen, dass bis zur Hälfte aller Flugpassagiere in der einen oder anderen Form Stress erleben, sobald sie sich an Bord eines Flugzeugs befinden. Das äussert sich ganz unterschiedlich. Einige werden sehr gesprächig, andere ganz ruhig – und wieder andere beginnen zu trinken, um mit ihrer Anspannung umzugehen.
Für die Besatzung ist die Herausforderung vor allem die, dass Probleme – besonders zwischenmenschliche – bestmöglich vorausgesehen, frühzeitig erkannt und wenn nötig sofort gelöst werden müssen. Dabei müssen interkulturelle Aspekte berücksichtigt und Beziehungen erhalten werden. Man kann nicht einfach eskalieren, oder Hilfe von aussen holen. Das stellt besondere Anforderungen an Führung, Zusammenarbeit und Kundenkontakt. Der Schlüssel in allen drei Bereichen ist dabei die Fähigkeit, in Kontakt zu gehen, also eine Beziehung aufzubauen und diese zu erhalten. Das gilt natürlich schon bei Normalbetrieb, besonders aber bei erhöhtem Stress- und damit Konfliktpotenzial. Die Basis dafür ist ein guter und stabiler Kontakt mit sich selbst, oder anders ausgedrückt, eine hohe Selbstkompetenz. Ohne diese ist eine gut entwickelte Beziehungskompetenz nicht möglich.
Es ist offensichtlich, dass das an Bord eines voll besetzten Passagierflugzeuges mitunter sogar sicherheitsrelevant ist. Seit einigen Jahren steigen die Fälle sogenannter „Unruly Passengers“ stetig an. Damit sind Passagiere gemeint, die sich nicht an die Vorschriften halten oder sich gegenüber Besatzungsmitgliedern oder anderen Passagieren unangebracht, aggressiv, oder im schlimmsten Fall gewalttägig verhalten. Auch ich habe davon einiges erlebt.
Die gleichen Prinzipien gelten aber auch sonst überall da, wo Menschen miteinander etwas bewegen oder erreichen wollen. Stellen Sie sich eine Situation vor, in der Sie mit einer Mitarbeiterin, einem Kollegen, oder einem Kunden aneinander geraten. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass auf beiden Seiten automatisch ausgelöste, reaktive Verhaltensmuster ablaufen, die dazu noch weitgehend unbewusst bleiben. Besonders wenn die Emotionen anfangen hochzukochen, sich dadurch die gesamte Biochemie im Körper verändert und die Fähigkeit zu rationalem Denken deshalb mehr oder weniger stark beeinträchtigt ist.
So reagiert jeder auf das Verhalten des anderen und keiner ist bewusst genug, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Im besten Fall kommen Sie beide einfach nicht auf zufriedenstellende Weise aus diesem reaktiven Muster heraus. Im schlimmsten Fall endet das Ganze in einer Eskalation und beide Parteien tun oder sagen Dinge, die sie später bereuen, wenn sie wieder „bei Bewusstsein“ sind.
1. Seien Sie vorbereitet
Es ist natürlich hilfreich, wenn Sie sich schon im Vorfeld solcher Situationen über die möglichen internen und externen Auslöser bewusst werden, die bei Ihnen erfahrungsgemäss emotionale Reaktionen auslösen können. So steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Sie diese rechtzeitig erkennen und adäquat damit umgehen können. Überlegen sie sich also, welche Art von Bemerkungen oder Verhaltensweisen anderer Menschen Sie typischerweise ärgern oder provozieren. Und überlegen Sie sich, wie Sie darauf entweder gar nicht, oder gewaltfrei und beziehungserhaltend reagieren können.
2. Schaffen Sie Raum für eine bewusste Wahl
Wenn es Ihnen gelingt, in der entsprechenden Situation von Anfang an das nötige (Selbst-)Bewusstsein zu haben, um wahrzunehmen, was sowohl bei Ihnen selbst, als auch bei Ihrem Gegenüber abläuft, können Sie sich bewusst de-eskalierend verhalten. Damit laden Sie Ihren Gesprächspartner ein, sich Ihrem Verhalten anzupassen. Sind Sie also z. B. achtsam genug, Ihren aufkommenden Ärger frühzeitig als solchen zu erkennen, können Sie diesen bewusst wahrnehmen und kontrollieren, oder dosiert und beziehungserhaltend ausdrücken – bevor Sie wie ein Dampfkochtopf mit kaputtem Ventil explodieren und damit allenfalls grossen Schaden anrichten. Kill the monster while it is still little, sozusagen. Dafür braucht es in erster Linie genug Raum für die bewusste Wahl ihres eigenen Verhaltens. Hierzu kann es hilfreich sein, wenn Sie sich z. B. eine rote Ampel vorstellen und zu sich selbst "STOP!" sagen. Atmen Sie dann einmal tief durch und fragen Sie sich dabei z. B.: "Ist es das Wert?". So kann es gut sein, dass Sie beschliessen gar nicht zu reagieren, oder in einer neuen und aggressionsfreien Form.
Es genügt übrigens, wenn nur eine Person bewusst genug ist und bleibt, um sich nicht in die Abwärtsspirale von Aktion und Reaktion hineinziehen zu lassen, oder um wieder aus dieser auszusteigen. Durch entsprechendes, gewaltfreies Verhalten kann die andere Person dazu eingeladen werden, ihre zum Selbstschutz aufgesetzte Maske ebenfalls abzulegen, so dass authentischer Kontakt und echter Dialog wieder möglich werden.
Es liegt nahe, dass von einer derart entwickelten Selbstkompetenz nicht nur Führung, Zusammenarbeit und Kundenkontakt profitieren, sondern auch alle Lebensbereiche ausserhalb der Arbeitswelt. Ein Coach kann dabei wertvolle Unterstützung leisten.