Interview mit Nils Hämmerli über die Zeichen guter Führung

Was zeichnet gute Führung aus? Diese Frage stellen sich viele Menschen mit Führungsverantwortung. Im Rahmen meines Buchprojekts habe ich Nils Hämmerli, den Kommandanten der Patrouille Suisse, zum Thema Leadership befragt.

Nils, als Kommandant der Patrouille Suisse hast du mehr als eine Überwachungsfunktion. Wodurch zeichnet sich für dich gute Führung aus?

Transparenz und Ehrlichkeit untereinander sind das A und O, würde ich ganz spontan sagen. Ich möchte meine Ideen abgestimmt haben mit dem Team und dafür braucht es eine offene Kommunikationskultur. Die pflegen wir. Ich coache, organisiere und helfe ausserdem, um den Teammitgliedern so viel Arbeit wie möglich abzunehmen, damit sie sich mehr auf das Fliegen konzentrieren können. Ich muss halt eine etwas andere Aufgabe einnehmen.

Wichtig ist das Loslassen im Team – sie sollen sich entfalten, jeder soll in seiner besonderen Art seine Persönlichkeit einbringen. Wir sind ja Individuen im Team. Deshalb ist es mir wichtig, dass sie sich entfalten und ihre Ideen reinbringen können. Dann werden sie aber immer im ganzen Team besprochen.

Also bist du nicht der, der mit der Fahne vorausgeht und nach Command & Control führt, sondern du schaffst im Prinzip optimale Bedingungen für das Team, damit jeder einzelne und das Team als Ganzes sich möglichst gut einbringen und sein Potenzial entfalten kann?

Das ist wichtig. Ich möchte sie auch nicht mit unnötigem Ballast eindecken. Es gibt die ganze Zeit viele kleinere Sachen und Absprachen und so weiter, das behalte ich nach Möglichkeit bei mir. Wenn ich das Gefühl habe, ich müsste das Team über etwas informieren, dann schreibe ich oft nicht einmal eine grosse Mail, sondern einfach „zur Info“ und einen Smiley. Das können sie sich dann anschauen und sehen: „Ah, dort gibt es etwas.“ Sie sollen sich auf das Fliegen konzentrieren, vor allem der Leader. Ich halte ihnen möglichst viel von dem Papierzeugs vom Hals.

Das klingt für mich eigentlich nach einer Dienstleistungshaltung dem Team gegenüber. Ich finde das beeindruckend, weil ich selber davon überzeugt bin, dass eine Dienstleistungshaltung in der Führung einen Riesenunterschied machen kann – indem man für die bestmöglichen Bedingungen sorgt, damit das Team performen kann.

Schlussendlich geht es darum, an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit eine perfekte Show zu liefern – das ist das Ziel, das wir alle haben. Ob das gelingt oder nicht, hängt von verschiedenen Faktoren ab, Gelände, Wetter und so weiter. Sie müssen dort performen, ich kann sie nur beratend unterstützen.

Du hast gesagt, verschiedene Einflüsse bestimmen die Performance – Umwelt, Wetter und so weiter. Das ist eigentlich wie in Unternehmen, da gibt es auch Umwelteinflüsse, Märkte und Ähnliches. Welchen Stellenwert haben aus deiner Sicht die Beziehungen untereinander?

Die Beziehung ist natürlich bei uns ein ganz wichtiger Punkt, weil wir ja die Leute nicht nach den eigentlichen Qualifikationen auswählen, die irgendwo auf dem Papier stehen. Wir wählen unsere Leute nur, indem wir sagen, wen wir im Team wollen. Das ist für die Piloten so und für den Kommandanten auch: Sie wählen den Kommandanten. Und das scheint mir etwas zu sein, was in der Privatindustrie nicht so verbreitet ist, dass die Untergebenen sagen, wen sie als Chef wollen.

Und das ist etwas Wichtiges, das gehört auch zu dem ganzen Gefüge, dass es funktioniert. Bei uns ist die fliegerische Kompetenz oder das Know-how als Pilot nicht so relevant, weil wir gut ausgebildete Leute haben – diese können fliegen, können auch Verbandsflug machen. Das sind alles Leute, die sich klar im oberen Drittel der Gauss’schen Kurve bewegen. Aber wir wollen nicht nur denjenigen, der irgendwo einmal die beste Qualifikation gehabt hat, in der Pilotenschule oder als Fluglehrer. Wenn er nicht zu uns ins Team passt, dann kommt er nicht ins Team.

Spannend! Das heisst, in der Selektion steht die persönliche und kulturelle Passung zum Team über der Kompetenz-Passung?

Ja. Fachkompetenz haben alle, darum gewichten wir das nicht so stark.

Kompetenzen scheinen mittlerweile also nicht mehr die grösste Rolle beim Einstellen von Menschen in einen Job zu spielen. Und das scheint auch in der Wirtschaft mittlerweile ein anderer Trend zu sein. Lesen Sie in meinem nächsten Blog, was Nils Hämmerli dahingehend beobachtet und was das auch für Unternehmen bedeutet.