Sandra, wie genau war deine Geschichte als Fussballerin und welche Erfahrungen hast du in dieser Zeit hinsichtlich Teams, Teamplay und dem Miteinander gemacht?
Ich habe mit sieben Jahren angefangen, Fussball zu spielen – damals mit den Jungs, das war ein kleines Abenteuer. Danach – ich war etwa sieben Jahre dort – kam ich in die U17 Auswahlen. Mit etwa 15 Jahren wurde ich vom FC Zürich sowie den Grasshoppers – der Nationalliga A der Schweiz – angefragt und ging anschliessend dort hin. Dort konnte ich schon mit vielen Nationalspielern trainieren. Auch eine Swiss Olympic-Ausbildung habe ich noch absolviert,das war in Zug und heisst Vinto, eine kaufmännische Ausbildung für Spitzensportler. Das ist eigentlich sehr spannend, denn da waren nicht nur Fussballer, sondern auch Eishockeyspieler, Wasserskifahrer,Triathlonusw. – also wirklich kreuz und quer.
Nach dem Abschluss dieser Ausbildung habe ich mich entschieden, in die USA zu gehen, hatte drei Angebote und ging nach Tennessee. Dort habe ich zwei Jahre gespielt und wir wurden amerikanische Meister, was ein ziemlich grosses Kunststück ist, weil man zuerst die Region gewinnen muss. Wir sind die Nummer Eins in den ganzen USA geworden – eine Erfahrung, die man nicht so schnell wieder vergisst. Sehr steinig, aber trotzdem – wie das wahrscheinlich auch im Berufsleben ist – die besten Momente, wenn man erreicht, was man sich vielleicht nicht einmal erträumt hat.
Im zweiten Jahr wurde ich MVP, also »Most Valuable Player«. Eine Riesenehre, diesen Titel in die Schweiz mitzunehmen. Du kennst mich ja schon ein bisschen: Meine Ziele waren erreicht und ich konnte meiner Meinung nach nicht vielmehr herausholen, neben der englischen Sprache. Dann bin ich wieder in die Schweiz zurückgekehrt, habe ein Jahr in der zweithöchsten Liga gespielt, weil mir ein bisschen die Luft ausgegangen war, wurde dann dort Torschützenkönigin und wurde daraufhin vom FC Basel engagiert. Das ist die sportliche Karriere. Nebenbei habe ich immer noch gearbeitet, mindestens zu 50, 60 Prozent.
Vielen Dank für diese Einführung! Jetzt steht Teamwork beim Fussball ja absolut im Zentrum. Wodurch zeichnet sich für dich gutes Teamplay aus?
Ich finde, da kommen sehr viele Faktoren zusammen. Das Schwierige – wie wahrscheinlich auch im Arbeitsleben – ist, dass jeder, der es so weit nach oben schafft, auch einen gewissen egoistischen Hintergrund hat. Und das dann zusammenzuführen, ist nicht so einfach. Teamplay bedeutet für mich nicht, abseits vom Feld beste Freunde zu sein, sondern zu wissen, dass man einander braucht, um den Erfolg herbeizuführen.
Also gibt es diese Spannung zwischen Ego und Team, zwischen dem »Ich« und dem »Wir«. Wie zeigt sich das beim Spiel, dass es diese Spannung gibt?
Ich denke, man ist vielleicht nicht immer damit einverstanden, wie zum Beispiel der Trainer entscheidet, wie aufgestellt wird. Und trotzdem gibt es ein übergeordnetes Ziel, das gerade im Leistungssport – egal, was passiert – immer oben herausragt. Ich denke, das ist ein grosser Unterschied, vielleicht auch wieder zum Berufsleben: Man weiss, dass es mit dem Erfolg nicht mehr klappen wird, wenn man den anderen aussticht. Man ist auf die Fähigkeiten der anderen angewiesen, damit man seine eigenen schlussendlich egoistischen Ziele erreichen kann. Man probiert eigentlich eher, bei den anderen die Schwächen zu überdecken, damit die Lücken trotzdem geschlossen sind, anstatt sie hervorzurufen. Wenn das so Sinn macht.
Das macht schon Sinn. Ich denke schon, dass es da Unterschiede zum Berufsleben gibt. Es gibt diese Spannung zwischen Ego und Team, die dazu führt, dass man manchmal den Drang hat, den anderen auszustechen. Man tut es dann aber nicht, im Sinne des grossen Ganzen und des Teamziels. Wie ist das aus deiner Sicht?
Ja, richtig. Von meinem Charakter her bin ich so oder so nicht der Ausstech-Typ. Aber es gibt sicher Charaktere, die auf diese Weise empfinden. Es ist einfach so: Man braucht verschiedene Charaktere, die komplett unterschiedlich funktionieren, damit man am Schluss ein Ziel erreichen kann. Ich glaube, das merkt man mit der Zeit. Auch wenn sich Gleiches anzieht, hilft das eigentlich nichtbei egal welchen Zielen, sportlich, beruflich, privat. Es ist nicht unbedingt von Vorteil, wenn alle gleich funktionieren.
Also hohe Diversität in einem Team als Vorteil, auch im Fussball?
Auf jeden Fall! Diversität fördert – vorausgesetztalle haben das gleiche Ziel. Wenn der eine daran interessiert ist, mitFreundenZeitzuverbringen und der andere hat konkrete sportliche Ziele, dann ist es eher eine Bremse. Aber wenn alle das gleiche Ziel haben, ist Diversität ein Schlüssel zum Erfolg, auf jeden Fall.
Welche anderen Schlüssel zum Erfolg gibt es aus deiner Sicht noch – auf dem Feld oder in der Vorbereitung?
Hohe Konzentration, Wissen, was man will und zu jedem Zeitpunkt daran glauben, dass man auf dem richtigen Weg ist. Schlussendlich macht das Mentale den Unterschied. Für uns war immer sehr entscheidend das Vertrauen ineinander, das Wissen, dass wir gut sind und dass wir auf der richtigen Bahn laufen, um mit der gleichen Equipe etwas komplett anderes zu erreichen.
Vertrauen untereinander oder Vertrauen in das Ziel und die eigenen Fähigkeiten?
Beides. Ich glaube, das Vertrauen in das Ziel ist vorerst das Wichtigste, weil man zuerst das Ziel gemeinsam so definieren muss, dass es für möglichst alle stimmt, sodass jederdahinterstehen kann. Auf der anderen Seite natürlich auch das Vertrauen ineinander, das Wissen, dass egal wer neben und vor mir steht, wir zusammen etwas erschaffen können. Ich glaube, das ist im Frauensport sogar noch wichtiger als im Männersport, dass jeder vom anderen das Vertrauen spürt und weiss: Man unterstützt einander. Wenigstens auf dem Feld. Es ist im Spitzensport nicht immer so, dass man abseits vom Feld beste Freunde ist, da gibt’s ja auch Gruppierungen, so wie im Beruf auch. Und man kann sich zoffen wie blöd, aber auf dem Feld muss es einfach funktionieren. Ausserdem sollte man auch seine eigenen Stärken und Schwächen kennen. Nicht verstecken, sondern dazu stehen, was man vielleicht nicht so gut kann. Ein Beispiel von mir selbst: Mein rechter Fuss ist nicht so gut ausgebildet. Mein ganzes Team wusste das und spielte mich genau aus diesem Grund auf meinem linken Fuss an. Ich glaube, das ist sehr, sehr wichtig, dass auch die Teamkameraden wissen: Was sind meine Stärken und meine Schwächen,um das Optimum herauszuholen für das Team, das Ziel, und wie können wir damit möglichst positiv umgehen? Wie können wir das stärken?
Was das nun mit Authentizität und Selbstkenntnis zu tun hat und was das Thema Grenzen setzen mit gute Teamplay zu tun hat, lesen Sie in meinem nächsten Blog im zweiten Teil des Interviews.