Haben Sie schon mal „Ja“ gesagt, wenn jemand etwas von Ihnen wollte und Sie fast schon zeitgleich insgeheim gedacht haben: „Nein, warum habe ich jetzt schon wieder „Ja“ gesagt? Ich hätte „Nein“ sagen sollen. Jetzt habe ich das schon wieder am Hals!“ Gerade Menschen, die sonst schon viel auf dem Tisch haben, neigen dazu, sich noch mehr aufzubürden und sich zu wenig abzugrenzen. Sie sagen häufiger „Ja“ als „Nein“. Es ist ein weit verbreitetes Thema, nicht oder zu wenig „Nein“ sagen zu können. Was sind die Gründe dafür?
Meist liegen die Gründe dafür recht tief. Und sie haben zu tun mit dem Erhalt der Beziehung:
- Man will niemandem vor den Kopf stoßen.
- Man will niemanden verärgern.
- Man will jemandem keinen Gefallen abschlagen.
- Man will aber auch natürlich sein eigenes Image nicht gefährden.
- Man will nicht als arbeitsscheu oder freizeitorientiert gelten.
- Man will nicht als wenig belastbar gelten usw.
Letztendlich geht es also um den anderen, dass man niemanden enttäuschen oder verärgern will. Aus meiner Sicht geht es aber eigentlich noch einen Schritt weiter: nämlich darum, dass man die möglichen Konsequenzen daraus für sich selbst nicht erdulden müssen will, die das eben hätte, wenn man jemand anderen vor den Kopf stoßen, verärgern oder enttäuschen würde. Es hat also letztendlich zu tun mit unserem Wunsch nach Anerkennung, mit unserem Bedürfnis nach Verbundenheit und Wertschätzung, das wir gefährdet sehen, wenn wir auch mal Nein sagen.
Die Auswirkungen im Blick haben
Auf der anderen Seite hat es natürlich negative Auswirkungen, wenn wir zu oft „Ja“ statt „Nein“ sagen. Wird bürden uns selbst noch mehr auf. Wir manövrieren uns möglicherweise in eine Überlastungssituation hinein oder in eine Situation, in der die Qualität unserer Arbeit insgesamt leidet, was wiederum für unsere interne oder externe Reputation nicht unbedingt hilfreich ist. Häufig sind diese Ängste aber unbegründet oder haben zumindest weniger Fundament, als man eigentlich denkt.
Ein Rückblick in meine Angestelltenzeit
Ich erinnere mich an eine Zeit, wo ich in einem Unternehmen neu angefangen und einen Vorgesetzten hatte, der mir eine Aufgabe nach der anderen auf den Tisch knallte. Dies noch. Und das noch. Und machen Sie sich dazu noch Gedanken. Und kümmern Sie sich darum bitte noch. Und tun Sie dies und jenes noch. Und der Stapel wurde immer höher. Ich war in der Probezeit und wollte es mir natürlich nicht verspielen und habe immer nur „Ja“ gesagt. Bis ich eines Tages allen Mut zusammengefasst habe und an einem Freitagnachmittag kurz vor Feierabend, nachdem noch etwas auf meinen Tisch geflogen kam, zu ihm hingegangen bin und gesagt habe: „Sorry, das geht jetzt wirklich nicht mehr. Darum kann ich mich jetzt nicht auch noch kümmern.“ Seine Reaktion war überraschend für mich, denn er sagte ganz einfach: „Oh, kein Problem. Dann gebe ich das jemand anderem.“ Ich stand da, mein Kiefer klappte mit hörbarem Knacken runter und das war’s. Die Lektion war in dem Moment für mich gelernt! Ich hatte Befürchtungen, die letztendlich nicht eingetreten sind. Und häufig ist es doch so, dass wir uns mit Befürchtungen und Ängsten herumschlagen, die gar nie eintreten. Schade eigentlich, denn wir vergeben uns damit sehr viel.
Öfter mal „Nein“ sagen wirkt sogar professionell
Ich erlebe immer wieder, wie Menschen sich durchringen, öfter mal „Nein“ zu sagen und wie dieses auf andere ganz im Gegenteil professioneller wirkt. Als professioneller im Umgang mit ihren eigenen Ressourcen, mit ihrer eigenen Zeit. Indem sie einfach klarer sind. Eigentlich gegenteilig zu dem, was oft befürchtet wird.
So kann „Nein“ sagen funktionieren
Im konkreten Fall kann das so aussehen, dass Sie Ihrem Kollegen künftig antworten: „Ja, darum kümmere ich mich gerne. Nächsten Dienstag kann ich das machen, dann hättest du es am Nachmittag.“ Es kann natürlich sein, dass das zu spät ist und er es selber macht oder jemand anderen fragt. Im Grunde genommen haben Sie in dem Moment „Nein“ gesagt, jedoch nicht durch ein schroffes „Nein“, sondern eben durch ein „Ja“ unter Bedingungen.
Das geht auch bei Ihrem Vorgesetzten: Wenn dieser auf Sie zukommt und Sie wissen, dass Sie schon am Limit laufen und keine Kapazität mehr haben, können Sie sagen: „Kümmere ich mich sehr gerne drum. Welche meiner anderen Prioritäten soll ich dafür zugunsten von diesem Thema für den Moment zurückstellen?“
Einmal mehr ist es eine Frage von Kommunikation, dass Sie also im Dialog sind und bleiben mit Kollegen und Vorgesetzten. Kommunikation ist alles. Auch bei Selbstmanagementthemen.
Also viel Mut und viel Erfolg beim „Nein-Sagen“.