Hirngerechtes Feedback

Der Nutzen von Feedback ist mittlerweile unbestritten. Abgesehen davon, dass wir uns selbst nur bis zu einem gewissen Punkt durch Selbstreflexion weiterentwickeln können – nämlich bis zu dem Punkt, wo wir unsere blinden Flecken erreichen – hat Feedback auch einen direkten Einfluss auf das Arbeitsklima, auf das Engagement der Mitarbeiter, auf die Performance von Einzelnen und Teams und schlussendlich auf Erfolg und Profitabilität des Unternehmens. Wir sprechen hier also nicht über „weiche“ Faktoren – sondern durchaus über harte Fakten.

Was sind blinde Flecken?

Wie im Aussenspiegel des Autos, wo es einen toten Winkel gibt, haben auch wir in unserem Verhalten Bereiche, die andere wahrnehmen, wir selbst jedoch nicht – sogenannte blinde Flecken. Solange uns darauf niemand aufmerksam macht, können wir uns in Bezug auf diese Verhaltensweisen nicht entwickeln oder verbessern. Feedback hilft, blinde Flecken zu reduzieren.

Nun gilt es, abgesehen vom Bewusstsein dafür, dass Feedback wichtig ist und wozu es beitragen kann, auch entsprechend wirksame Feedback-Techniken anzuwenden. Leider erlebe ich immer noch zu oft, dass Feedback unqualifiziert und unaufgefordert gegeben wird. Vorgesetzte sagen ihren Mitarbeitenden geradeaus was sie denken, häufig mit einer negativen Färbung, indem sie schlussendlich einfach sagen was ihnen nicht gefällt. Das führt beim Empfänger oft zu einer instinktiven Stressreaktion. Wenn Menschen kritisiert werden und das als Ablehnung erleben, dann werden im Gehirn die gleichen Areale aktiv, wie wenn man jemandem körperlichen Schmerz zufügt. Eine solche Stressreaktion löst in der Folge häufig einen automatischen Angriffs- oder Fluchtreflex aus – oder man stellt sich tot. Konkret äussert sich das dann in Rechtfertigung, Rückzug oder einem Mangel an Engagement und Dienst nach Vorschrift – der inneren Kündigung.

Wenn Sie also mit Ihrem Feedback den gewünschten Effekt erreichen möchten, also eine Verbesserung der Situation oder eine Änderung des Verhaltens, dann sollten Sie darauf achten, dass Sie damit, auch und vor allem wenn es Kritik beinhaltet, keine Stressreaktion auslösen, sondern Offenheit, Dialog- und Veränderungsbereitschaft. Ihr Feedback sollte also hirngerecht sein.

Was ist hirngerechtes Feedback?

Hirngerechtes Feedback gibt die Rückmeldung in einer Art und Weise, wie sie der Empfangende entgegennehmen kann und dafür dankbar ist, selbst wenn sie kritische Elemente enthält. Konkret bedeutet das: Sie geben immer zuerst eine Rückmeldung zu positiven Aspekten, zu Stärken, die Sie erkennen, zu Dingen, die Sie eben als positiv wahrnehmen. Z. B. den Einstieg in eine Präsentation oder den Schluss der Zusammenfassung. Bleiben Sie dabei unbedingt bei beobachtbarem Verhalten und den Fakten und vermeiden Sie an dieser Stelle Interpretation und Wertung. Im Anschluss äussern Sie Empfehlungen für mehr Effektivität, indem Sie z. B. sagen: „Um mit deinen Präsentationen noch mehr Wirkung zu erzielen, empfehle ich dir, nach wichtigen Aussagen jeweils eine Pause von ein paar Sekunden zu machen.“ Oder: „Ich empfehle dir, die Anzahl Folien und auch den Inhalt und die Dichte von Informationen auf den einzelnen Folien zu reduzieren.“ Ein solches Feedback, das also aus positiver Rückmeldung und Empfehlungen besteht, enthält durchaus Kritik. Jedoch ist diese so verpackt, dass die andere Person sie nicht als Bedrohung erlebt und deshalb auch nicht mit Stress reagiert, sondern eben als zukunftsweisende, lösungsorientierte und hilfreiche Empfehlung, die in der Regel dankbar angenommen wird.

Je nach Kontext und Rolle, die Sie einnehmen und je nach dem wem Sie dieses Feedback geben, können Sie statt Empfehlungen natürlich auch Wünsche oder Erwartungen äussern. Entscheidend ist, dass sich das Ganze auf die Zukunft richtet und lösungsorientiert formuliert ist.

Feedback anbieten oder darum bitten?

Es gibt noch einen kleinen aber feinen Unterschied in Bezug auf die positive Wirkung einer Feedbackkultur in Organisationen. Nämlich ob eine Kultur besteht, in der man sich gegenseitig Rückmeldungen gibt, oder eine Kultur, in der man sich gegenseitig um Feedback bittet.

Die Bereitschaft Feedback entgegenzunehmen und offen zuzuhören, ist entscheidend dafür, dass ein Feedback auch ankommt. Wenn Sie jemandem also unaufgefordert Feedback geben und das vielleicht auch gleich als solches deklarieren, z. B.: „Darf ich dir mal kurz ein Feedback geben zu deiner Präsentation?“ Dann kann allein die Tatsache, dass Sie den Begriff Feedback verwenden und das ungefragt tun, bereits inneren Widerstand auslösen.

Es ist also wichtig sicherzustellen, dass Ihr Gegenüber offen ist für Ihre Beobachtungen. Fragen Sie z. B.: „Ich habe heute ein paar Dinge beobachtet in deiner Präsentation und würde gerne mit dir darüber reden. Bist du daran interessiert und wann wäre ein guter Zeitpunkt dafür?“ So hat die Person, für die das Feedback bestimmt ist, die Kontrolle darüber wann und ob sie das Feedback entgegennehmen möchte. In einer Unternehmenskultur, in der es Standard ist, sich gegenseitig um Feedback zu bitten, statt aktiv aufeinander zuzugehen, um Feedback zu geben, stellt sich die Frage nach dieser Offenheit gar nicht. Denn wenn ich auf Sie zukomme und um Rückmeldung bitte, dann bringe ich diese Offenheit zwangsläufig ganz automatisch mit.

Wenn Sie also als Führungskraft eine Feedbackkultur und damit die gegenseitige Unterstützung in der persönlichen Entwicklung in ihrem Unternehmen fördern möchten, dann ist der größte Hebel den Sie dazu haben, es selbst vorzuleben: „Was kann ich in unserer Zusammenarbeit tun, damit diese noch besser und noch reibungsloser verläuft? Was schätzt du an mir als Führungskraft und was kann ich in Zukunft noch besser machen?“ Das mag auf Anhieb für viele wie eine Schwäche aussehen, doch Sie demonstrieren damit Authentizität und Stärke, was wiederum Glaubwürdigkeit, Akzeptanz und Vertrauen erhöht. Zudem laden Sie andere dazu ein, es Ihnen gleich zu tun und prägen damit wesentlich die Kultur in Ihrem Unternehmen.