Für die meisten von uns ist Verhaltensänderung deshalb unmöglich, weil wir so optimistisch (und verblendet) sind, dass wir versuchen, alles auf einmal zu ändern. Wir überfordern uns damit, schnell das „neue Ich“ zu werden und wenn es nicht schnell genug geht, die Menschen um uns herum unsere Veränderung nicht bemerken, oder wir auf Hindernisse stossen, geben wir auf.
Von der Niederlage entmutigt, überfordert und niedergeschlagen, ist es schwierig, sich erneute Veränderung vorzunehmen. Und so werden wir Genies im Erfinden von Gründen, Veränderung zu vermeiden. Wir finden Ausreden. Wir argumentieren mit Vernunft. Wir geben uns Überzeugungen hin, die alle möglichen Arten von Ablehnung und Widerstand auslösen – und ändern letztlich nichts. Gar nichts. Wir versagen darin, die Person zu werden, die wir eigentlich sein wollen.
Was also tun angesichts der Schwächen, die wir offensichtlich in Bezug auf Verhaltensänderung haben?
Das Rad der Veränderung
Über viele Jahre hat Marshall Goldsmith das „Rad der Veränderung“ schon dazu verwendet, um Klienten bei der Entscheidung zu helfen, was sie verändern wollen und worauf sie sich dabei konzentrieren sollen. Dabei hat er Teams, Organisationen, Freunde und Kollegen durch diesen Prozess geführt. Und er hat den Prozess sogar selbst angewandt. Das „Rad der Veränderung“ ist eines der hilfreichsten Instrumente für Verhaltensänderung und auch ich arbeite sehr gerne damit, um meine Klienten wirksam zu unterstützen.
Dieses Rad illustriert den Zusammenhang zweier Dimensionen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen, bevor wir die gewünschte Veränderung realisieren können.
Die Achse "Positiv-Negativ" beinhaltet diejenigen Merkmale, die uns bei der beabsichtigten Veränderung entweder helfen, oder uns behindern. Die Achse "Verändern-Bewahren" beinhaltet die Merkmale, die wir in Zukunft entweder verändern, oder bewahren wollen. Daraus folgt, dass wir bei jeglicher Verhaltensänderung vier Optionen haben: Positives verändern oder bewahren und Negatives verändern oder bewahren.
Hier eine kurze Beschreibung dieser vier Optionen:
1. Erschaffen steht für positive Merkmale, die wir in Zukunft erschaffen wollen. Erschaffen ist das glamouröse Paradebeispiel von Verhaltensänderung. Wenn wir uns vorstellen, wie wir uns besser verhalten, sehen wir das als einen aufregenden Prozess, in dem wir uns selbst neu erfinden. Wir erschaffen ein „neues Ich“. Das ist reizvoll und verlockend zugleich. Wir können alles sein, was wir wollen. Die Herausforderung dabei ist, es bewusst zu tun, statt nur als Beobachter. Erschaffen wir uns selbst, oder verpassen wir diese Gelegenheit und werden stattdessen durch Einwirkung von aussen geformt?
2. Bewahren steht für positive Merkmale, die wir in Zukunft bewahren wollen. Bewahren klingt passiv und banal, ist aber eine echte Wahlmöglichkeit. Es bedarf eines In-sich-gehens, um herauszufinden, was uns gute Dienste leistet und es braucht Disziplin, um es nicht einfach für etwas neues, aber nicht unbedingt besseres, fallen zu lassen. Wir bewahren in der Regel nicht genug.
3. Beseitigen steht für negative Merkmale, die wir in Zukunft beseitigen wollen. Beseitigen ist die am meisten befreiende und wohltuende Handlung – und doch tun wir sie nur widerwillig. Wie beim Aufräumen des Dachbodens oder der Garage, wissen wir nie, ob wir das Beseitigen eines Teiles von uns einmal bereuen werden. Vielleicht brauchen wir ihn irgendwann in der Zukunft. Vielleicht ist er das Geheimnis zum Erfolg. Vielleicht hängen wir aber auch einfach zu sehr daran.
4. Akzeptieren steht für die negativen Merkmale, die wir in Zukunft akzeptieren müssen. Die meisten Menschen neigen dazu, sich den anderen drei Elementen im Rad der Veränderung mit grösserer Begeisterung zu widmen: Erschaffen ist innovativ und spannend, Bewahren macht Sinn weil wir damit unsere guten Seiten nicht aus den Augen verlieren, und Beseitigen spricht unsere „entweder-oder“ Natur an, mit der wir uns von Verhaltensweisen trennen, die uns nicht mehr dienlich sind. Aber akzeptieren ist eine bittere Pille. Akzeptanz ist ein seltsamer Spieler im Veränderungsprozess. Sie klingt nach Niederlage und für viele ist sie gleichgestellt mit Erdulden. Angesichts von Machtlosigkeit, kann Akzeptanz unglaublich wertvoll sein. Doch gerade diese Unwirksamkeit ist es, die wir nur so unwillig annehmen. Diese Tatsache ist der Grund für unsere schillerndsten Momente kontraproduktiven Verhaltens.
Das sind die Optionen. Einige sind dynamischer, reizvoller und machen mehr Spass als andere, aber sie sind alle gleich wichtig. Und drei davon sind arbeitsintensiver als man glaubt. Und das ist das Schöne an diesem Rad. Wenn wir uns selbst ganz offen dazu herausfordern herauszufinden, was wir ändern können und was nicht, was wir loslassen und was behalten sollten, dann überraschen wir uns häufig selbst mit der mutigen Klarheit unserer Antworten. Dann können wir bedeutende und echte Schritte dahingehend machen, wie wir wirklich sein wollen.
Aus dem Englischen übersetzt von Thomas Gelmi, zertifizierter Marshall Goldsmith Coach.Quelle: <LINK www.marshallgoldsmithfeedforward.com/marshallgoldsmithblog/ _blank "external-link-new-window" "Opens external link in new window">Marshall Goldsmith Thinkers50 Video Blog</link>